No.8_ Schatten der Dinge

Material

  • Suchende Augen
  • Ein Stück Natur in deiner Nähe
  • Ein Zweig (oder ein Objekt aus der Natur)
  • Eine (Schreibtisch-)Lampe
  • Ein Blatt Papier und einen Stift

Schatten, Umriss, Komposition – der Auftrag

Das Übersehene, Unberührte, Unentdeckte – Was können Dinge in der Umwelt für künstlerisches Potenzial bieten und wie kann dieses zugänglich gemacht werden? Begebe dich auf eine Entdeckungsreise in die Natur, wähle ein Objekt aus und setze dich mit dessen Umriss auseinander, indem du den Schatten untersuchst.

Du kannst zum Beispiel einen Zweig auswählen, dessen Form dich interessiert. Dieser lässt sich möglicherweise untersuchen, indem du den Zweig auf ein Blatt Papier legst und den Schatten der Umrisse auf dem Papier nachzeichnest. (Natürlich sind auch weitere Gegenstände und Untersuchungsmethoden denkbar, lass dich von der Umwelt inspirieren)

Durch die Untersuchung des Schattenwurfs wird das Objekt abstrahiert: Mehrdimensionalität, Farbigkeit und Struktur treten in den Hintergrund und der Fokus wird auf den Umriss und die Position im Bildgelenkt. Der Starterkit kann dabei helfen einen Zugang zu einer komplexen Form zu bieten, indem das Nachzeichnen des Schattens die Übersetzung des Gegenstandes in ein Bild erleichtert. Dadurch können sich Kunstschaffende auf die Form und die Position im Bild konzentrieren: Hier bietet sich ein Anknüpfungspunkt zum Thema der Komposition.

Außerdem wird durch das Abzeichnen des Umrisses ein enger Bezug zum realen Objekt gewahrt. Für die Schaffenden bietet sich somit die Möglichkeit den Starterkit als Hilfsmittel zum realistischen Arbeiten zu nutzen, indem der Umriss nachträglich weiter detailliert und ausgeführt wird. Andererseits kann er als Zugang zu abstrakten Kompositionen dienen, durch den neue Formen entdeckt und sichtbargemacht werden: Der zweite Anknüpfungspunkt ist daher der Umriss der Dinge.

Abpausen erlaubt – Der Schatten als Vorlage

Der Schatten definiert eine Fläche auf dem Untergrund. Das Denken in Flächen, wie hier Licht und Schatten entspricht einer Grundlegenden Fähigkeit der Malerei. Was geschieht, wenn einzelne Bereiche farbig hervorgehoben werden? Wo ist dabei innen und außen?

Der Umriss der Dinge kann im Beispiel jedoch auch auf eine Linie reduziert werden. Bei diesem Prozess werden grundlegende Fragen der Grafik aufgeworfen: Was kann eine Linie? Ab wann definiert eine Linie ein Bildelement? Und wann ist dieses als Gegenstand erkennbar?

Die Linie definiert im Starterkit den Umriss eines Gegenstandes, dabei können Stärke, Dichte und der Weg variiert werden, um Formen abzugrenzen. Weitere Informationen zu Umriss und Linie finden sich hier: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/kunst/artikel/linienformen-und-ihre-wirkung#.

Nun bietet sich noch die Frage: Wie wird der Schatten im Bild platziert? In der Mitte, oder aus dieser verrückt. Schneidet das Objekt den Bildrand? Was kann man machen, wenn der Schatten des Zweigs größer als dein Papier ist? Probiere aus, welcher Bereich des Zweigs dann am besten aussieht!

Das Bild als Krimi – Spannung durch Komposition

Es geht hier um die „Komposition“, so nennt man den Aufbau eines Bildes: Also wo befindet sich ein Gegenstand im Bild? Die Komposition wird durch inhaltliche und formale Elemente definiert. In diesem Beispiel geht es in erster Linie um die formalen Elemente, wie Formen und Kompositionslinien.

Daraus ergeben sich Möglichkeiten, die den Gegenstand verschieben, an den Rand drängen oder sogar anschneiden. Kompositionen kann man als „spannend“ bezeichnen, das kannst du dir verdeutlichen, wenn du zwei Bilder anfertigst: Auf einem Bild zeichnest du den Gegenstand vollständig; auf einem anderen nur einen Ausschnitt, der dir besonders gut gefällt.

Wenn das Objekt angeschnitten wird, d.h. sich über den Bildraum hinaus fortsetzt, spricht man von einer ‚Offenen Komposition‘. Das Motiv wird fokussiert und im Detail betrachtet. Im Gegensatz dazu kann eine Komposition, bei der das Objekt vollständig abgebildet wird, einen erzählerischen Überblick geben. Der Betrachter kann den Blick schweifen lassen, man spricht hier von einer geschlossenen Komposition.

Die Linien des Umrisses können zudem geballt oder verteilt, symmetrisch oder asymmetrisch angeordnet sein. Diagonalen und geschwungene Linien erzeugen Dynamik im Bild, wohingegen Geraden, waagerechte und senkrechte Linien für eine ruhige, statische Komposition sorgen. Mit Blick auf das Beispiel des Zweigs: Insbesondere bei Zweigen mit vielen Gabelungen ergeben sich spannende Blickwinkel, Bilddiagonalen und Kompositionen. Was passiert, wenn man das Objekt dreht? Wie verändert sich der Schatten und die Komposition?

Mehr Informationen zur Komposition sind abrufbar unter: https://www.kunstunterricht.ch/cms/grundlagen/267-kompositionslehre, http://www.kunst-malerei.info/komposition.html#.YE5cVtwxlPY und https://vision.wettintv.de/?page_id=118

Vorbilder, Einflüsse, Inspiration

Spannende Kompositionen werden für Werbung (Cover, Plakate) oder in Krimis verwendet, aber auch auf Instagram und Tik-Tok benutzen Influencer*innen häufig spannende Kompositionen.

Alfred Hitchcock verwendet in seinen berühmten Kriminalfilmen beispielsweise einige Zitate aus Malereien des amerikanischen Malers Hopper. Sowohl in den Gemälden als auch in den Filmen unterstreicht die Komposition zum Beispiel das Gefühl von Verlorenheit, Melancholie und Beklemmung (http://www.tasteofcinema.com/2016/20-great-movies-inspired-by-edward-hoppers-paintings/2/). Im Gegensatz dazu setzen Filmplakate durch Anschnitte und Diagonalen auf eine dynamische und aufmerksamkeitserregende Komposition. Ein Beispiel hierfür sind die Plakate der Marvel-Filme.

Das Geschwister Duo Jordi Koalitic und Arnau Koalitic beschäftigt sich mit experimenteller Fotografie. Diese verwenden Sie nicht nur für Werbezwecke, sondern erstellen für jedes Foto ein making-off-Video in dem sichtbar wird, wie die visuellen Effekte erzielt und inszeniert werden. (https://www.jordikoalitic.com/; https://www.instagram.com/arnaukoalitic/?hl=de)

Peter Yan ist unter dem Pseudonym #yantastic als Influencer und Fotograf bekannt geworden. Er setzt sich mit Landschaftsfotografie und Bildbearbeitung auseinander und legt seinen Schwerpunkt auf die Handyfotografie (solo.to/yantastic).

Die Influencerin Jenny alias ‚Silentstorytelling‘ erkundet verlassene Orte und dokumentiert deren langsamen Verfall, dabei sucht sie kleine Details, übersehene Objekte und spannende Kompositionen in den Überresten vergangener Zeiten (https://www.instagram.com/silentstorytelling/?hl=de).

Anknüpfungspunkte zu zeitgenössischen Künstler*innen bieten die Werke von Per Adolfsen und Laura Wade, in deren Œvre die Landschaft und die Natur als Motiv prädominant ist. Beide setzen sich mit der Abstraktion der Wirklichkeit, einer Reduktion auf den Umriss auseinander.

Bei der Rezeption der Werke fällt die unterschiedliche Herangehensweise im Hinblick auf Farbigkeit, Gestus und Technik auf: Per Adolfsen wählt dabei einen Ansatz, der sich sowohl mit der Linienführung und der Positionierung dieser grafischen Elemente im Bild auseinandersetzt. Er untersucht dabei die Verbindung der Dinge untereinander und analysiert sie in Farbe und Form. Die zweidimensionalen grafischen Elemente werden akzentuiert, in dem er die Zwischenräume durch eine leichte bis teils kräftige Farbgebung betont (https://www.instagram.com/peradolfsen_artist/?hl=de; https://532gallery.com/exhibitions/landscapes/).

Laura Wade zeichnet ihre Umgebung und legt ihren Fokus dabei aber auf die Umrisse der Dinge. Sie sucht stille Orte und erschafft Werke mit atmosphärischer Tiefe, durch die Sie die Betrachtenden zur Kontemplation der eigenen Beziehung zur Natur anhält (https://www.laurawadeartist.com/).

Die Auseinandersetzung mit diesen, sowie weiteren Kunstschaffenden kann den Lernenden neue Wege und Möglichkeiten aufzeigen, die vom Realismus bis hin zum ungegenständlichen reichen können. Die bewusste Suche nach schönen und interessanten Dingen in der Natur schafft einen neuen Zugang zum Medium und gibt Raum für intrinsische Motivation. Der Starterkit nutzt den Aufforderungscharakter der Dinge und hilft dabei komplexe Formen zu abstrahieren. Die Farbfelder, die hier hell und dunkel sind, definieren abgegrenzte Bereiche, die das Objekt als solches charakterisieren. Die Reduktion auf lediglich eine zweidimensionale, zunächst einfarbige Projektion vereinfacht das Objekt, sodass sich die Kunstschaffenden auf zwei Kerngedanken konzentrieren können: Wie gestaltet sich der Umriss des Objekts und wie soll dieser im Bild positioniert sein. In der Auseinandersetzung mit dem Schatten der Dinge wird das Medium wird dadurch in einer neuen Qualität erfahrbar und es können neue Formen entdeckt, sowie sichtbar gemacht werden.

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